• Bewerbung heute: Mit oder ohne Anschreiben?

Das Anschreiben: Must-have oder Nice-to-have?

Ein Bewerbungsprozess besteht üblicherweise aus drei Phasen: der schriftlichen Bewerbung, dem Vorstellungsgespräch (aufgeteilt auf eine oder mehrere Runden) und den Vertragsverhandlungen. Weil viele Unternehmen in den vergangenen Jahren die Erfahrung gemacht haben, dass nicht mehr genug passende Bewerbungen auf ihre Stellenanzeigen eingehen, stehen diese drei klassischen Phasen, aus denen der Auswahlprozess seit Jahrzehnten üblicherweise besteht, auf dem Prüfstand. Besonders „gefährdet“: das Anschreiben.

Dem ohnehin vom Fachkräftemangel geplagten deutschen Arbeitsmarkt gehen bis 2035 sieben Millionen Arbeitskräfte verloren – wenn nicht gegengesteuert wird. Diese Prognose veröffentlichte das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im November 2022. Das bedeutet, Deutschland verliert ein Siebtel seines Arbeitsmarkts.

Diese Entwicklung stellt Unternehmen bereits heute vor Herausforderungen. Der demografische Wandel ist in vollem Gange, Personal fehlt. Auf Stellenanzeigen bewerben sich zu wenig Interessierte – oder nicht die passenden. Dennoch haben Arbeitgeber einige Hebel, dieser Entwicklung zumindest in Teilen entgegenzuwirken. Dazu gehören Konzepte, um ältere Mitarbeitende (länger) im Job zu halten oder die beruflichen Chancen von Frauen bzw. Eltern zu stärken, etwa durch attraktive Teilzeitmodelle, die keine Karrieresackgasse bedeuten, sondern schlicht mehr Menschen ermöglichen, berufstätig zu sein.

Ein anderer möglicher Weg ist es, die Einzel-Bestandteile des Auswahlprozesses zu prüfen. Und die Bewerbung für Job-Interessierte so einfach wie möglich zu machen. Seit einigen Jahren ist ein Anschreiben, für viele Job-Interessierte lange so etwas wie der Angstgegner unter den Bewerbungsunterlagen, nicht mehr zwingend notwendig.

Ballast oder Mehrwert für Unternehmen?

Unternehmen müssen entscheiden, welche Faktoren ihnen in der Personalgewinnung wichtig sind: Eine gewisse Zahl an Bewerbenden - oder überhaupt Bewerbungen - zu erhalten? Dann sollte der Prozess so niedrigschwellig wie möglich vonstatten gehen - bis hin zu einer Verknüpfung mit dem Business-Netzwerk-Profil einer Person, die als Bewerbung akzeptiert wird.

Oder sollen aus bestimmten Gründen im Rahmen einer Bewerbung bestimmte Nachweise erbracht werden, zum Beispiel die Beherrschung von Schriftsprache und die Erstellung von Unterlagen für den externen Kontakt? Insbesondere für komplexe Tätigkeiten und spezielle Rollenprofile hat es seine Berechtigung, von Interessierten den Klassiker, die "aussagekräftigen Unterlagen inkl. Lebenslauf und Anschreiben" zu verlangen. Ebenso, wenn die strategische Personalplanungs-Entscheidung lautet, nicht mehr Bewerbungen, sondern mehr passende Bewerbungen zu erhalten.

Ein Lebenslauf gibt Auskunft über die Vergangenheit, über Ausbildung, Qualifikationen und gemachte Erfahrungen. Aktuell wird der so genannte "Cultural Fit" immer wichtiger: Passen die Werte und Motivation der interessierten Person zum Team und zur Unternehmenskultur? Auch der Quereinstieg, der Wechsel in einen Bereich oder eine Branche, in der man bislang noch nicht tätig war, ist gang und gäbe. Unter Umständen sagt ein Lebenslauf wenig bis zu wenig darüber aus, ob diese Person den Job und die Rolle in Zukunft gut ausfüllen kann, insbesondere, wenn die Tätigkeit ohnehin viel "Training on the Job" erfordert. Ein Bewerbungsschreiben, egal ob es als "Anschreiben" oder "Motivationsschreiben" verlangt wird, erlaubt also wertvolle Eindrücke, wie der Bewerber bzw. die Bewerberin sich die eigene Zukunft im Unternehmen vorstellt.

Andererseits: Sollten Arbeitgeber für sich festlegen, dass sie in Zukunft neues Personal eher durch aktive Suche und proaktive Ansprache gewinnen, sollten auch die Must-Have-Bestandteile des Bewerbungsverfahrens (neu) definiert werden. Wie wichtig ist ein Anschreiben von jemandem, den ich im Rahmen meiner Recherche so interessant finde, dass ich selbst ihn anspreche? Welche Wirkung erziele ich, wenn ich auf einem Bewerbungsschreiben bestehe?

Ballast oder Mehrwert für Bewerbende?

Ob ein Bewerbungsschreiben erforderlich und für die eigenen Chancen förderlich ist, hängt dies von der Stelle ab. Die Faustregel lautet: Je komplexer und je besser dotiert, desto eher "mit". Sehr gefragte Fachkräfte, wie etwa IT-Spezialisten, müssen sich eher keine Gedanken um ein perfekt formuliertes Bewerbungsschreiben machen. Auch bei Tätigkeiten in den unteren Lohnsektoren sind mittlerweile andere, eher formlose Bewerbungsverfahren möglich und üblich - bis hin zu Bewerbungen via WhatsApp-Nachricht. Welche Sorte Bewerbungsschreiben gefordert wird, lässt sich in der Regel aus der jeweiligen Stellenanzeige herauslesen.

Job-Interessierte sollten allerdings möglichst früh in ihrer Bewerbung einen Weg finden, wie sie ihre Motivation, zu genau diesem Arbeitgeber wechseln zu wollen, darlegen können. Je konservativer die Branche und das Unternehmen sind, desto eher ist ein Anschreiben eine wertvolle Investition - und wird explizit gefordert. Genauso geeignet könnten aber auch ein Motivationsschreiben oder ein Bewerbungsvideo sein.

Bewerberinnen und Bewerber, die motiviert sind, die Stelle auch wirklich zu bekommen, sollten sich die Zeit nehmen und die Mühe machen, sich einen sinnhaften Aufbau zu überlegen und schriftlich herauszuarbeiten, welchen Mehrwert sie für den potenziellen Arbeitgeber bieten, mit welchen Talenten und Erfahrungen sie zum Unternehmenserfolg beitragen können.

Der aktuelle Fachkräftemangel führt dazu, dass viele gefühlt eherne Regeln für Bewerbungsunterlagen, wie z.B. “Dein Anschreiben muss eine Seite lang sein" oder "Bewerbungsschreiben mit Tippfehlern werden sofort aussortiert", nicht mehr unbedingt Bestand haben. Bewerberinnen und Bewerber können sich selbstbewusster präsentieren, Unternehmen verzeihen einige Dinge, die vor nicht allzu langer Zeit noch als No-Go galten.

Ein Anschreiben kann heute eine halbe oder anderthalb Seiten lang sein. Wenn der Inhalt überzeugt, die darin enthaltenen Informationen für das Gegenüber, also meist die Personalabteilung, Teamleitung oder Geschäftsführung, unterhaltsam aufbereitet sind, ist vieles erlaubt.

Die Voraussetzung dafür: Das Anschreiben muss den Lebenslauf inhaltlich ergänzen und auf das Anforderungsprofil eingehen, sonst schadet es eher. Die Mehrheit der Personalentscheider, die Anschreiben für sinnlos halten, lehnt diese ab, weil sie nicht aussagekräftig sind oder keine Zusatzinformationen gegenüber dem Lebenslauf enthalten.

Was muss rein?

Jeder erfolgreiche Kinofilm verfügt über mindestens einen spannenden Werbe-Trailer, beim Publikum den Wunsch erzeugen soll, mehr sehen zu wollen.

Das ist der eigentliche Mehrwert eines Anschreibens: Zusätzlich zu den Informationen des Lebenslaufs bietet ein Bewerbungsschreiben den Raum, die eigenen Kenntnisse und Erfolge genauer darzustellen und beim potenziellen Arbeitgeber Neugierde zu wecken. Personalabteilungen können an einem guten Anschreiben, das einen klaren Aufbau hat, viel erkennen.

Im Internet kursieren verschiedene Muster und Vorlagen für gut strukturierte Anschreiben, die hilfreich sind und Job-Interessierten über die erste Hürde, "Was soll ich bloß schreiben?" helfen können. Wichtig ist, dass diese Vorlagen nicht wortwörtlich übernommen werden, sondern an die eigene Person und auch auf die ausgeschriebene Position und das Anforderungsprofil angepasst werden.

Der Aufbau eines Anschreibens besteht üblicherweise aus den Formalien, den Absenderinformationen wie der Adresse, einer Einleitung, der Bewerbungsmotivation (Warum bewerbe ich mich auf diese Stelle?), der persönlichen Qualifikation und den eigenen Stärken oder Soft Skills (Warum bin ich für diese Stelle geeignet?) und einem Abschluss, in dem nochmals das Interesse bekundet und / oder um Rückmeldung gebeten wird.

Am allerwichtigsten ist, um beim Beispiel des Werbe-Trailers zu bleiben, vorab das Drehbuch zu verfassen. Bewerberinnen und Bewerber müssen zunächst eine Vorstellung davon entwickeln, welche Kernaussagen, welche Botschaften ihr Anschreiben haben soll. Ein Anschreiben zu verfassen, bedeutet Arbeit. Und kann mühsam sein.

Bewerbungsschreiben verfassen lassen? KI auf dem Vormarsch

Und die Mühe soll ich mir wirklich machen bei einer Bewerbung? Wenn es doch haufenweise Muster und Vorlagen online gibt? Dazu kommt, dass die Künstliche Intelligenz in der Erstellung von Inhalten enorme Fortschritte gemacht hat. Seit dem Ende des Jahres 2022 haben Tests mit der derzeit enorm populären KI ChatGPT wiederholt gezeigt, dass eine Software, mit den richtigen Informationen versorgt, durchaus ansprechende Anschreiben erstellen kann.

Die Software lernt, unter anderem durch die rasant steigenden Nutzerzahlen, in hohem Tempo dazu. ChatGPT wird "gefüttert" und trainiert mit riesigen Datenmengen, Texten aus dem Internet, die auf derzeit vorhandenem menschlichen Wissen basieren. Deshalb kann das Programm für viele Aufgabenstellungen und Themen gute und korrekte Antworten finden. Diese sind aber immer noch abhängig von der Qualität der Frage. Ist diese nicht "hochwertig“ genug, erstellt auch die Maschine Texte, die zwar korrekt sind, sich aber irgendwie beliebig, oder, emotional gesagt: seelenlos, lesen. Denn Künstliche Intelligenz kann mathematische Entscheidungen treffen, jedoch keine reflektiert-moralischen Überlegungen einfließen lassen. Die Software bietet aber, wenn sie den Stellentitel, die Position und die Stellenbeschreibung "bekommt", durchaus hilfreiche Formulierungen für die Struktur und die Grundform des eigenen Textes.

Fazit: Das gelungene Bewerbungsschreiben kann ein Pluspunkt sein

Ob ein Anschreiben zwingend Bestandteil der eigenen Bewerbung sein muss, hängt von der Branche, dem Unternehmen sowie der spezifischen Tätigkeit ab, die laut Stellenanzeige gesucht wird. Je konservativer Branche oder Unternehmen und je komplexer das Anforderungsprofil, desto sinnvoller sind klassische vollständige Bewerbungsunterlagen, die aus Anschreiben und Lebenslauf sowie Zeugnissen und anderen Nachweisen bestehen.

Der Lebenslauf, in dem die eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten angepasst an die jeweilige Stellenanzeige aufgelistet sind, bleibt das wichtigste Element einer Bewerbung. Er muss schnell zu erkennen geben, mit welcher Person Unternehmen es zu tun haben. Mit dem Anschreiben, das einen Lebenslauf sinnvoll ergänzt, lassen sich aber die eigenen Soft Skills und persönlichen Stärken in Bezug auf bisherige Erfolge stimmig darstellen.

Interessierte sollten sich bewusst werden, dass ihr potenzieller Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran hat, zu erfahren, ob sie auch wirklich an der offenen Position interessiert sind und motiviert genug sind, dies auch in Worte zu fassen, die zeigen, dass die Stellenausschreibung verstanden wurde. Ein gelungenes Bewerbungs-Anschreiben ist ein guter Weg, um sich von anderen Bewerbern und Bewerberinnen positiv abzuheben.

Denn Personalabteilungen, die ein Anschreiben schätzen, glauben, die Qualitäten der Person anhand des Anschreibens besser einschätzen zu können, vertiefende Details zur Berufserfahrung und damit ein umfassenderes Gesamtbild zu erhalten. Wird also in der Stellenanzeige nicht ausdrücklich betont, dass kein Anschreiben erforderlich ist, sollten sich Bewerberinnen und Bewerber die Mühe machen, ein individuelles Bewerbungsschreiben zu verfassen. Es kann die Erfolgschancen der Bewerbung deutlich erhöhen.

Sie möchten sich lieber auf eine Stelle bewerben, ohne ein Anschreiben verfassen zu müssen? Dann schauen Sie doch einmal in unserer Jobbörse nach attraktiven Stellenangeboten. Für die Bewerbung ist kein Anschreiben notwendig, und Sie erhalten eine Rückmeldung binnen 2 Werktagen.

Mehr zum Thema:

Tipps für kreative Einstiege ins Anschreiben (Artikel von XING):

https://www.xing.com/news/articles/so-beginnt-man-ein-anschreiben-10-einstiegssatze-die-dich-herausheben-und-die-du-sofort-abschreiben-willst-5562726

Bewerben als Führungskraft: Dos und Don'ts (Artikel von Computerwoche.de):

https://www.computerwoche.de/a/6-haeufige-fehler-bei-bewerbungen,2276998

Beispiele für Aufbau und Inhalt von Bewerbungsschreiben:

https://bewerbung.com/anschrei...

Die Entwicklung des Arbeitsmarkts bis 2035 laut IAB:

https://www.zeit.de/news/2022-...

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