Kündigungsrecht in Deutschland

Wie Trennung rechtssicher und fair gelingt

Happily ever after? Bis dass der Tod uns scheidet? In der Arbeitswelt ist dies in der Regel nicht der Fall. Arbeitsverhältnisse werden regelmäßig beendet, weil die eine oder andere Partei sich entscheidet, dass man getrennte Wege gehen muss oder möchte. Daran ist an sich nichts Schlimmes, und die Gründe dafür sind vielfältig. Die Wirtschaftslage kann sich ebenso verändern wie die innerbetriebliche Beziehung, und manchmal passt es einfach nicht mehr. Wie man sich rechtssicher und fair voneinander trennt, erläutert Arbeitsrechtsexperte Prof. Dr. Michael Fuhlrott in diesem Interview.

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Herr Prof. Dr. Fuhlrott, eigentlich will man möglichst lange zusammenbleiben. Wenn Trennung aber unvermeidlich ist: Ist die Kündigung immer der beste Weg – und wie gelingt sie rechtssicher und fair?
Prof. Dr. Michael Fuhlrott: Das hängt von den Gründen ab. Müssen Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen Stellen streichen, weil sie keinen Beschäftigungsbedarf mehr haben, geht es nicht um persönliche Leistung, sondern um betriebliche Notwendigkeit. Das ist die klassische betriebsbedingte Kündigung. Anders ist es, wenn die Ursache in der Person oder im Verhalten eines Beschäftigten liegt. Etwa, wenn jemand dauerhaft krank ist und das Team dauerhaft Mehrarbeit leisten muss. Oder wenn Fehlverhalten vorliegt, das ein Arbeitgeber nicht tolerieren kann – Diebstahl, Beleidigungen oder sexuelle Übergriffe. Und dann gibt es Fälle, in denen es einfach nicht mehr passt – unterschiedliche Erwartungen an das Arbeitsverhältnis, private Konflikte oder fehlende Motivation, die zu einer Veränderung der Leistung und des Binnenverhältnisses führen. 


Je nach Situation ist natürlich auch der Ton und Umgang mit dem Beschäftigten ein anderer. Während Arbeitgeber erkrankten Beschäftigten oftmals mit Verständnis begegnen, auch wenn die Kündigung irgendwann unvermeidbar ist, ist der Umgang bei einem in Rede stehenden vertragswidrigen Verhalten des Beschäftigten, wie womöglich sogar einer Straftat, natürlich ein anderer. In all diesen Situationen gilt aber stets: Arbeitgeber müssen klar und frühzeitig kommunizieren, auch zu den möglichen Folgen. Unzufriedenheit sollte nicht in schwammigen Gesprächen „durch die Blume“ angedeutet werden, sondern konkret benannt werden – mit Erwartungen an eine Verbesserung, die nachvollziehbar und überprüfbar sind. Oft hängt die weitere Entwicklung davon ab, wie Beschäftigte reagieren. Manchmal lässt sich das Arbeitsverhältnis durch Adaption verbessern, etwa durch interne Versetzung oder Weiterbildung. Manchmal wird aber auch klar, dass es für beide Seiten besser ist, getrennte Wege zu gehen. 


Wichtig ist, wie solche Prozesse im Unternehmen wirken. Wenn jemand dauerhaft schlechte Leistung zeigt und die Führung nichts unternimmt, sorgt das für Frust bei den Kolleginnen und Kollegen, die zuverlässig arbeiten. Genauso schadet es, wenn Beschäftigte den Eindruck gewinnen, dass Vorgesetzte unfair oder willkürlich handeln, sobald jemand einmal nicht so topfit ist. Eine klare, sachliche Kommunikation der Erwartungshaltung und der möglichen Konsequenzen ist deshalb entscheidend – und sie kommt unserer Erfahrung nach in recht vielen Fällen zu spät.

Die Schriftform ist Pflicht bei einer Kündigung – reicht auch eine signierte E-Mail oder ein digitales Dokument?
Fuhlrott: Nein. Eine Kündigung ist nur mit „wet ink signature“, einer Originalunterschrift, wirksam – egal, ob sie vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer kommt. Scans, E-Mails oder Messenger-Nachrichten zählen nicht. Das Originaldokument mit „echter Tinte“ muss den Beschäftigten erreichen. Das gilt auch für Aufhebungsverträge. Auch diese müssen „im Original“ unterschrieben sein. Verlässt sich der Arbeitgeber auf einen Scan, kann ein böses Erwachen drohen, wenn der Arbeitnehmer womöglich nach einer Vertragsreue und einiger Zeit auf den Arbeitgeber zukommt und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend macht, weil die Beendigung unwirksam erfolgte.

 

Bewerbungen laufen längst digital. Warum bleibt das beim Ende des Arbeitsverhältnisses anders?
Fuhlrott: Weil das Gesetz das Ende eines Arbeitsverhältnisses als etwas Gravierendes und den Arbeitnehmer als schutzbedürftig ansieht. Während ein Arbeitsvertrag auch formlos, sogar mündlich oder in einem Videocall entstehen kann, verlangt das Gesetz für die Beendigung die Schriftform und das Original. Damit ist klar: Das ist verbindlich – und kein eventuelles Missverständnis per E-Mail oder Chat. Auch wenn ein E-Mail-Wechsel mit dem Inhalt „Wir trennen uns, morgen, einverstanden?“ – „Ja, passt.“ einvernehmlich sein mag, ist er keine wirksame Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Es fehlt dann an der Schriftform.

 

Der Arbeitsmarkt hat sich verändert. Unternehmen finden teils keine Fachkräfte, müssen aber zugleich sparen. Was raten Sie Arbeitgebern, die Kündigungen vermeiden wollen?
Fuhlrott: Zuerst sollte geprüft werden, ob Beschäftigte an anderer Stelle im Unternehmen eingesetzt werden können. Innerhalb des vertraglich Möglichen und bei Wahrung der Gleichwertigkeit der Aufgaben kann man Tätigkeiten neu zuordnen – etwa, wenn Aufgabenbereiche sich verschieben.
Kurzarbeit bleibt ein bewährtes Instrument. Wenn die Auftragslage vorübergehend einbricht, kann die Arbeitszeit reduziert werden. Das Kurzarbeitergeld übernimmt zum großen Teil die Agentur für Arbeit. So bleiben die Beschäftigten an Bord, und das Unternehmen spart Lohnkosten.
Eine weitere Option ist Arbeitnehmerüberlassung – also, Mitarbeitende zeitweise an andere Firmen zu „verleihen“. Das funktioniert aber nur, wenn die Betroffenen zustimmen und setzt eine entsprechende Überlassungserlaubnis des Unternehmens voraus, sodass diese Konstellation eher auf dem Papier besteht. Während Pandemie-Zeiten wurde dies aber teils so gehandhabt und Arbeitnehmer etwa an Supermärkte „verliehen“, wo Bedarf war. Schließlich ist auch eine befristete Stundenreduktion oder eine vorübergehende Gehaltsreduktion oder der Verzicht auf Boni möglich, wenn beide Seiten einverstanden sind. In der Praxis ist das jedoch oft schwer umzusetzen, weil viele sich den Einkommensverlust nicht leisten können.
Diese Wege können helfen, Krisen zu überbrücken. Dauerhafte Lösungen sind sie aber meist nicht.

"Arbeitgeber müssen klar und frühzeitig kommunizieren."

Gibt es Alternativen zu einer formalen Kündigung, um sich fair und im Einvernehmen zu trennen?
Fuhlrott: Ja, das ist in vielen Fällen üblich – etwa bei betriebsbedingten Kündigungen, wenn kein persönliches Fehlverhalten vorliegt. Arbeitgeber können dann Aufhebungsverträge anbieten. Dies wird von Unternehmen oftmals vorgeschaltet, bevor eine Kündigung erfolgt. 
Je nach Größe des Unternehmens ist der Betriebsrat dabei zu beteiligen, wenn es denn einen gibt. Handelt es sich um einen größeren Personalabbau, sprechen Juristen von einer Betriebsänderung. Dann ist ein Interessenausgleich nebst Sozialplan zu verhandeln, der Abfindungen und Übergangsregelungen vorsieht. Manche Firmen starten auch sogenannte doppelte Freiwilligen-Programme, bei denen sich Beschäftigte auf eine einvernehmliche Beendigung „bewerben“ können. Der Arbeitgeber wählt aus, mit wem das passt. 
Sollte es sich um singuläre Maßnahmen handeln, die nicht ganze Abteilungen betreffen, ist die frühzeitige und transparente Kommunikation und die Erläuterung der Gründe wichtig: Betroffene sollten wissen, warum das Unternehmen diesen Weg geht. Viele Beschäftigte holen sich in einer solchen Situation dazu anwaltlichen Rat. Das ist sinnvoll, aber auch eine Kostenfrage.

 

Worauf müssen Arbeitgeber achten, um spätere Anfechtungen oder Forderungen zu vermeiden?
Fuhlrott: Ein Aufhebungsvertrag bietet beiden Seiten Rechtssicherheit. Für Arbeitgeber bedeutet er: kein Risiko einer Kündigungsschutzklage und kein langes Verfahren. Der Arbeitnehmer erhält im Gegenzug meist eine Abfindung.

 

Und aus Beschäftigtensicht: Wie kann ich als Beschäftigte, der gekündigt wird, beurteilen, ob es sich lohnt, einen Anwalt zu einzuschalten (und rechtliche Schritte einzuleiten)?
Fuhlrott: Das hängt von den Erfolgsaussichten und den Kosten ab. Wer eine Rechtsschutzversicherung hat, kann sich beraten lassen, ohne selbst zahlen zu müssen. Ohne Versicherung trägt man die Anwaltskosten selbst, unabhängig vom Ausgang – und diese können schnell mehrere Tausend Euro betragen.
Zusammen mit dem Anwalt muss der Arbeitnehmer prüfen: Lohnt es sich, gegen die Kündigung vorzugehen, oder ist das mir angebotene Paket fair? Eine Kündigungsschutzklage muss binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung eingereicht werden. 
Wenn das Kündigungsschutzgesetz gilt – also bei Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten und Arbeitsverhältnissen länger als sechs Monate – muss der Arbeitgeber beweisen, dass die Kündigung rechtmäßig ist. Gelingt das nicht, gewinnt der Arbeitnehmer.

Mein Arbeitgeber bietet mir statt einer Kündigung einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung an. Wie kann ich entscheiden, ob ich das Angebot annehme?
Fuhlrott: Die Höhe der Abfindung hängt vom Einzelfall ab. Eine Faustregel lautet: Ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Diese Regel gilt aber nicht in allen Branchen – und auch bei besonders kurzen Beschäftigungsverhältnissen werden andere Faktoren zugrunde gelegt. Wenn es einen Betriebsrat oder Sozialplan gibt, sind die Beträge meist bereits festgelegt; es ist relativ klar, was man erhält. 
Ein Aufhebungsvertrag kann zur Sperrzeit beim Arbeitslosengeld führen, weil man der Beendigung selbst zugestimmt hat. Ist die Begründung jedoch klar betriebsbedingt, kann die Agentur für Arbeit diese Sperrzeit aufheben. Sicher geht man dann, wenn man den Aufhebungsvertrag im Entwurf der Agentur für Arbeit vorlegt, bevor man ihn unterzeichnet. 
Wer das Angebot des Aufhebungsvertrags als fair und gut empfindet, kann sich Zeit und vor allem Anwalts- und Gerichtskosten sparen, wenn er es annimmt. Wer zweifelt, sollte prüfen lassen, ob eine Kündigungsschutzklage bessere Chancen bietet.

 

Was wird im Kündigungsrecht Ihrer Erfahrung nach zu selten thematisiert?
Fuhlrott: In der Praxis erleben wir regelmäßig, dass Arbeitsverhältnisse über Jahre schlecht laufen und fragen uns, warum dies, wenn es nicht passt, nicht schon viel früher beendet wurde – oder zumindest viel früher offen besprochen wurde. Oder warum keine anderen Mittel, wie eine Versetzung oder auch eine Abmahnung, genutzt wurden, um nicht in diese Situation zu kommen. Je länger ein Arbeitsverhältnis dauert, desto schwieriger bzw. teurer kann es werden, es zu beenden, wenn es nicht passt.
Oft scheitert die Kündigung aber auch an „banalen“ Sachen: Das Dokument wurde von der falschen Person unterschrieben, es wurde an den falschen Briefkasten zugestellt, oder es gab ein Original und eine Kopie, aber dem Arbeitnehmer wurde die Kopie übergeben. Gerade bei den Formalien geht in der Praxis viel schief, ärgerliche Fehler, die man vermeiden könnte. Denn es ist grundsätzlich nicht so einfach, eine erfolgreiche Kündigung auszusprechen: Die Gerichte könnten genau überprüfen, ob hier Kündigungsgründe vorliegen. Dabei trägt der Arbeitgeber im Gerichtsverfahren die Beweislast: Er muss darlegen und im Zweifel beweisen, dass Kündigungsgründe bestehen.

 

Über Prof. Dr. Michael Fuhlrott: 
Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist einer der renommiertesten Arbeitsrechtsexperten Deutschlands. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht unterhält gemeinsam mit drei Partnern die Kanzlei Fuhlrott Arbeitsrecht, die Standorte in Hamburg, Frankfurt und München hat. 
Prof. Dr. Fuhlrott ist zudem als Fachautor sowie als Medien-Experte für Arbeitsrecht tätig, arbeitet an verschiedenen staatlichen und privaten Hochschulen als Dozent und tritt als Speaker auf Tagungen, Messen oder bei Fortbildungen auf. 

Interview: Julia Engel

Hinweis: In diesem Text wird die männliche Form für personenbezogene Hauptwörter benutzt (z.B. „der Arbeitgeber“, „der Mitarbeiter“, „der Arbeitnehmer"). Dies dient allein dem Lesefluss, es sind alle Geschlechter gemeint.

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