Diese Erwartung erscheint mir jedoch absurd. Jedenfalls für Menschen, die Begriffe nicht modisch-puddinghaft benutzen, sondern ihnen eine bestimmte Bedeutung zumessen. Ich zumindest unterscheide sehr wohl zwischen „Höflichkeit“ und „Wertschätzung“. Höflichkeit darf jeder erwarten, bis er das Recht dazu verspielt hat. Höflichkeit, sofern es mit der Erziehung geklappt hat, gibt es im Vorhinein bedingungslos und grundsätzlich. Wertschätzung ist schon vom Begriff her genau das Gegenteil, nämlich im Nachhinein, da wird ja etwas wertgeschätzt. Im strengen Sinne kann die Wertschätzung auch vernichtend ausfallen.

Nun könnte mit Verweis auf Sprachverwahrlosung dieses Thema der „Wertschätzung“ nonchalant übergangen werden. Allein ich kann es nicht. Denn die synonyme Verwendung entwertet zumindest einen der beiden Begriffe, aus meiner Sicht sogar beide. Nur weil „Höflichkeit“ altmodisch klingt, ist sie nichtsdestotrotz das passende Schmiermittel, wenn unterschiedliche Menschen mit sehr unterschiedlichen Interessenlagen und Macht aufeinandertreffen – also im Unternehmen.

„Respekt“ hingegen ist kein Schmiermittel, sondern die wertvollste Münze, die wir geben können. Wir sehen die Leistung eines anderen Menschen, gleichen kurz mit unseren eigenen bescheidenen Fähigkeiten (in diesem Feld) ab und setzen es in Bezug zu anderen Menschen im gleichen Leistungsumfeld. Sticht die Leistung positiv hervor, dann erkennen wir mit „Respekt“ die Leistung und den Menschen in seiner Bedeutung für die Organisation an. Wie gesagt, es ist das Wertvollste, was eine Führungskraft geben kann. Es ist mehr als ein Lob, das ja immer nur von oben nach unten gespendet wird, und es ist mehr als totes Geld. Respekt ist soziales Verhalten, Menschen zugewandt, ein Ergebnis von Leistungsbeurteilung und pure Lebensbejahung.

Und das wird also von vornherein von Führungskräften erwartet? Also das Beste für erst einmal nichts? Als Personaler sollten Sie ihre Führungskräfte vor solchen Erwartungen in Schutz nehmen.

Ein Gespräch sollte die Sprachverirrung klären können. Was aber, wenn mehr dahintersteckt? Als Vater von 4 Kindern macht man ja so seine Beobachtungen. Zunächst wird auf Noten verzichtet, weil die Kinder nicht hart bewertet werden sollen. Dieselben Kinder finden sich übrigens in der Pause zum Fußball auf dem Schulhof zusammen und jeder Spieler hat je nach Niveau einen Wert in – na klar- Millionenhöhe. Beim Schwimmsport wird auf Wettkampf verzichtet, weil die Kinder ja Spaß haben sollen. Mein Einwand, Wettkampf sei doch gerade der Spaß, wurde mit einem Blick bedacht, der mich blitzartig zu einem alten, weißen Mann von gestern machte. Im englischen Internat wurde das in Deutschland gut benotete Kind (10. Klasse) mit Abneigung von der Mathelehrerin aufgenommen, weil deutsche Schüler nichts könnten, was sie selbst nicht wüssten.. (was sich dann auch zunächst als richtig erwies).

Könnte es sein, dass, wenn der Letzte hier in Deutschland noch eine Medaille bekommt, gilt: Wer alle wertschätzt, schätzt niemanden wert? Wer Respekt für Durchschnitt zollt, die wertvollste Münze auf Ramschniveau entwertet? Wer nicht Respekt für besondere Leistungen reserviert, am Ende Leistung tötet?

Nachwort: Die Mathelehrerin hat mittlerweile für die erfolgreiche Aufholjagd Ihren Respekt gezeigt. Bislang das stärkste Erlebnis für das Kind in England. Geht doch!


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Autor: Christoph Nehring, Gründer & Gesellschafter HAPEKO

Foto: BGStock72


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